Die Familie Bernheimer – eine Geschichte vom Aufstieg, der Vertreibung und der glücklichen Wiederkehr einer jüdischen Münchener Familie

Vom Weg der europäischen Juden im Holocaust legt Abba Naor bei allen Besuchen in unserer Schule eindringlich Zeugnis ab. Doch welche Schicksale erlebten jüdische Münchner Familien im Spannungsfeld zwischen Assimilation und Verfolgung im 19. und 20. Jahrhundert? Dieser Frage konnten wir am Dienstag, den 25. April, nachgehen, als wir einen Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde mit dem Kunsthändler Konrad Bernheimer an der LMU München besuchten.

Konrad Bernheimer erzählte kurzweilig und eindrucksvoll vom raschen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg seiner aus dem Schwäbischen stammenden jüdischen Familie seit den 1860er Jahren in München, wo sein Urgroßvater als Groß- und Einzelhändler von Dekorationsstoffen sogar zum Hoflieferanten des bayerischen Königshauses aufstieg und ein hochherrschaftliches Wohn- und Geschäftshaus am Lenbachplatz in München errichten konnte, das zum führenden Einrichtungshaus Münchens avancierte. Die jüdische Familie fühlte sich angekommen und sich integriert zu haben und wurde von der Münchener Gesellschaft akzeptiert, sein Großvater leistete auch im Ersten Weltkrieg Kriegsdienst.

Dies veränderte sich schrittweise nach dem Krieg, als offen antisemitische Gruppierungen und Parteien - insbesondere in München - Anhänger fanden, etwa die NSDAP. Die schrittweisen Beschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte versuchte der Großvater, Otto Bernheimer, der sich dem Familienbetrieb eng verbunden und verpflichtet fühlte, zu verdrängen, bis die Reichpogromnacht die Lage dramatisch zuspitzte, die Familie im KZ-Dachau in ‚Schutzhaft‘ genommen wurde. Unter den Misshandlungen litt vor allem Kurt Bernheimer, Konrads Vater. Allein der Intervention des Präsidenten von Mexiko ist es zu verdanken, dass die Familie entlassen wurde und 1939 nach Venezuela ausreisen konnte.

Kurt heiratete eine katholische Venezolanerin, versuchte einen Neuanfang und gründete eine Familie, 1950 wurde Konrad Bernheimer dort in Rubio geboren. Seine jüdisch-katholische Familie trat, auf Drängen des Großvaters, nach Ende des Zweiten Weltkriegs schrittweise die Rückkehr nach Deutschland und München an. Kurt konnte und wollte diesen Weg nicht gehen und nahm sich kurz vor der Rückreise nach München das Leben. Konrad Bernheimer übernahm schließlich das Kunst- und Antiquitätengeschäft seines Großvaters und avancierte schließlich zu einem der bedeutendsten Kunsthändler Europas für Alte Meister. München und Bayern sind dennoch seine Heimat

Dem Bericht folgte ein Gespräch mit Dr. Ludwig Spaenle, dem ehemaligen Kultusminister Bayerns und nun Beauftragtem für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe der Bayerischen Staatsregierung. Im Gespräch ging man weiter auf die wechselvolle Familiengeschichte der Bernheimers ein und beleuchtete verschiedene Aspekte des Antisemitismus im Dritten Reich aber auch unserer Gegenwartsgesellschaft. Im anschließenden persönlichen Gespräch mit Herrn Bernheimer konnten wir dies noch vertiefen.

Zusätzlich zu unseren Begegnungen mit Abba Naor am OvTG ermöglichte uns dieser Vortrag, das jüdische Leben in Bayern und die Zeit der Verfolgung durch den Nationalsozialismus aus einer weiteren, für uns neuen Perspektive zu betrachten und ein tieferes Verständnis für die destruktive Kraft des Rassismus, hier in Form des Antisemitismus, zu entwickeln.

 

Greta Meents (Q11) für das ‚P-Seminar Israel‘